Hierzulande ist die Handarbeit ja eher in den Händen der Frauen – natürlich können in Zeiten der Emanzipation immer mehr Männer auch Stricken oder sogar Nähen aber im Durchschnitt ist das in Mitteleuropa doch eher selten. Auf einer über 4000 m hoch gelegenen Insel auf dem Titicacasee ist das ganz anders – da gehören die strickenden Männer von Taquile sogar zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO – 2014 habe ich ihnen einen Besuch abgestattet.
Taquile
Eine Insel mit Tradition und Geschichte
Die Ruinen auf den Bergspitzen von Taquile stammen vermutlich schon aus der Tiwanaku-Kultur. Somit gilt die Insel schon ab 800 v. Chr. zumindest als zeitweilig bewohnt.
Die Insel, die bei den Bewohnern unter ihrem Quechua-Namen Intika bekannt ist, war eine der letzten Bastionen, die von den Spanischen Eroberern eingenommen werden konnte. Das lag vor allem daran, dass es den Bewohnern gelang, sich gut zu verstecken, so dass die Conquistadores sie lange für unbewohnt gehalten haben.
Bis heute fühlen sich die Bewohner eher den Inkas als den Spaniern zugehörig, weshalb hier Quechua – die Sprache der Inka – im Alltagsgebrauch genutzt wird und nur wenige der jüngeren Bewohner können überhaupt Spanisch. Man lebt hier bis heute nach den drei Geboten der Inka „Ama suwa, ama llulla, ama qilla“ (nicht stehlen, nicht lügen, nicht faul sein) – eine nette Gesellschaft also.
1580 wurde die Insel dann doch eingenommen und König Karl V. verkaufte sie an den Grafen Rodrigo de Taquila, der ihr auch ihren spanischen Namen verpasste. Und wie es sich für einen ordentlichen Conquistador gehörte, verbot er den Einwohnern ihre traditionellen Gewänder.
In den 1930er Jahren verkam Taquile immer mehr. Man machte die Insel zu einem Gefängnis, in dem unter anderem Luis Miguel Sánchez Cerro, der ehemalige Peruanische Präsident eine Haftstrafe verbüßen musste.
Erst ab 1937 kauften die Taquileños ihre Insel zurück und gingen wieder ihren traditionellen Tätigkeiten nach – so entstand die Gemeinschaft, wie sie heute bestand.
Taquile heute
Natürlich kommen heute viele Touristengruppen nach Taquile. Trotzdem hab man den Eindruck, dass die Gemeinschaft dort auch ohne Touristen gut existieren könnte – ein völlig anderer Eindruck also, als man ihn bei den Uros bekommt, die erscheinen zu 100% auf die Show angewiesen, die man den Touristen bieten kann.
Als wir aus dem Boot kamen, lief uns direkt eine Herde Schafe auf dem Pfad zum Dorf entgegen. Die Gemeinschaft lebt stark vom Kunsthandwerk – Textilien werden gewebt und gestrickt. Aber die werden nicht nur an Touristen verkauft, sie sind im ganzen Land bekannt und beliebt und qualitativ wesentlich hochwertiger als das, was man etwa auf dem Markt am Hafen von Puno bekommt.
Und so kommt man auch erstmal vom Boot und auf dem Weg, der ins Dorf führt, kommt einem eine kleine Schafherde entgegen, denn selbstverständlich gewinnt man auch die Wolle für die hochwertigen Produkte aus eigener Zucht.
Ein weiterer großer Wirtschaftszweig – neben der in Peru fast obligatorischen Terrassenlandwirtschaft – ist die Forellenfischerei. Im Titicacasee werden sie nachhaltig gefischt, denn die Menschen von Taquile leben nach den alten Inka-Idealen und entnehmen dem See nicht mehr, als sie selbst auf der Insel brauchen und verbrauchen (etwas, wo sich viele ein Beispiel nehmen könnten).
Ich empfand den Besuch auf Amantani sehr angenehm. Oft verkommen solche Besuche in traditionell lebenden Gemeinschaften zu einem touristischen Ereignis und man fühlt sich ein bisschen als Gaffer. Auf Taquile war das gar nicht der Fall. Man hatte den Eindruck, dass die Menschen hier ihr Leben leben. Die Touristen kommen zwar und bringen auch ein bisschen Geld mit, das ist nett, aber man würde auch ohne sie wirtschaftlich unabhängig das Leben leben, was man auf dem Titicacasee eben so lebt. Man wird nirgendwo hingezerrt um irgendetwas zu verkaufen und selbst wenn man durch den Shop geht, kann man sich die Sachen auch in Ruhe anschauen, ohne gleich zum Kauf bequatscht zu werden.
Wenn ich nur eine der drei Inseln aussuchen sollte, für einen 1/2 Tages Ausflug von Puno – meine Reise würde definitiv nach Taquile gehen.
Infos
Die erste Frage ist natürlich: wie kommt man hin? Die Insel liegt etwa 45 km vor Puno auf der peruanischen Seite des Sees. Wir hatten damals eine 2-Tagestour gebucht mit einer Übernachtung in einer Familie auf Amantani und Stops auf den Floating Islands der Uros am Ersten und eben auf Taquile am Zweiten Tag. Es gibt auch die Variante mit einer Übernachtung auf Taquile und einem Zwischenstop auf Amantani.
Man kann diverse Touren online oder direkt vor Ort in Puno buchen – standardmäßig gibt es 1/2-, Ganz- oder 2-Tagestouren, die die 3 Stationen beinhalten und nicht allzu teuer sind.
Wir haben vorher den Tipp bekommen, den Kindern der Familie, bei der wir geschlafen haben, etwas zum Spielen mitzubringen – am Hafen von Puno werden dazu auch ständig Buntstifte angeboten. Geschlafen und Gegessen haben wir auf Amantani bei einer Familie, die drei Gästezimmer hatte. Es war ganz spannend, weil die Familie nur Quechua sprach und wir mit ihnen beim Abendessen in der Indoor-Küche am offenen Feuer saßen. Zum Schlafen sollte man sich allerdings warme Klamotten mitnehmen – nachts wurde es (im August) ordentlich kalt.
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